Hola mis queridos amigos!
Meine Zeit als Freiwillige in San Felipe ist leider zu Ende gegangen. Seit knapp einem Monat bin ich wieder in „good old Germany“ und kehre einer Welt den Rücken, von der ich nicht glaubte, dass sie so anders sein kann.
Es bedeutet auch, eine Umgebung zu verlassen, an die ich mich mittlerweile unglaublich gewohnt habe, und mich von vielen besonderen Menschen zu trennen. Ich trete wieder in ein Leben ein, von der ich vorher dachte, es sei das einzig Wahre Bezogen auf Bräuche und Verhaltensweisen anderswoa habe ich in diesem Jahr wahnsinnig viel gelernt. Obwohl diese nicht immer positiv waren, haben sie mich dennoch sehr fasziniert, und ich werde diese Erfahrungen immer bei mir haben.
Die Chilenen sehen sich selbst als sehr christlich und unglaublich religiös. Doch meine Erfahrungen widersprechen dem ziemlich. Weihnachten wird im Gegensatz zu Silvester eigentlich überhaupt nicht gefeiert. Das Wichtigste scheint die kitschige „US-amerikanische“ Dekoration. Überall hängen Lichterketten, Weihnachtsmänner in dicken Mänteln und mit weißem Bart sitzen schwitzend an den Straßenecken, und überall werden Plastikweihnachtsbäume aufgestellt.
Selbst die Plaza de Armas in San Felipe hängt voll mit Rentieren und Schlitten.
Überall läuft Weihnachtsmusik dieser Art: „It’s cold outside“ und ich lachte nur,
denn es war Hochsommer mit einer Temperatur von 40 Grad. Das hat alles nicht
so wirklich gepasst und wirkte sehr heuchlerisch und nachgemacht.
An Weihnachten selbst gibt es ein Essen und Geschenke, doch von einer
weihnachtlichen Stimmung in deutschem Sinne kann nicht die Rede
sein.
Und doch haben wir Freiwilligen unser Möglichstes getan, um wenigstens
ein bisschen weihnachtliche Stimmung zu bekommen: ein paar Kerzen,
Weihnachtsplätzchen backen mit den Jungs aus dem Pablo VI, Weihnachten in
der Casa Walter Zielke.
Silvester hingegen wird riesig gefeiert. Die Festanzüge werden herausgekramt
und das beste Essen kommt auf den Tisch. Ich konnte diese Erfahrung, in einer
Familie zu feiern, natürlich nicht teilen, dafür wurde ich aber von einem Freund
nach Valparaiso eingeladen und konnte ein 30-Minuten-Riesenfeuerwerk
genießen, das von Booten aus dem Wasser gezündet wurde. Atemberaubend!
Gegen Ende konnte man die Lichter schon gar nicht mehr sehen vor lauter
Rauch.
Die Straßen waren voll. Überall Menschen, die feiern – die meisten doch sehr
betrunken. – so viel zur Religiosität der Chilenen. Es schien mir doch sehr
widersprüchlich zu sein, dass sie sich selbst als sehr christlich einschätzen,
Silvester aber als den größten Feiertag nach dem Nationalfeiertag sehen.
Da in Chile die Jahreszeiten vertauscht sind, waren hier seit Mitte Dezember die
großen Sommerferien. Die Schulen wurden für 3 Monate geschlossen und alles
war ein bisschen ruhiger. Somit hatten wir Freiwilligen auch ein bisschen Zeit,
das Land kennen zu lernen. Und das ist wirklich lohnenswert!
Chile erstreckt sich über 39 Breitengrade. Es gibt also sehr viele verschiedene
Landschaften: Von Eis und Kälte in Patagonien über angenehmes Klima,
viel Wald, Wiese und beeindruckende Vulkane im kleinen Süden, über die
Metropole Santiago und die Sandwüste von La Serena bis zur Atacama, der
trockensten Wüste der Welt.
In Chile wird es einem also nicht langweilig beim Reisen. Ein paar Kilometer
weiter und man hat schon eine ganz neue Sicht.
Das Reisen in Chile ist sehr praktisch. Es gibt Busse in alle Richtungen und für
Preise, die wirklich nicht übel sind. Die Busse sind super bequem, sicher und
man kann sogar über Nacht reisen.
Ich habe auch einige Sachen beobachtet, die teilweise sehr amüsant sind.
Manchmal steht man auch einfach nur da und fragt sich: was soll das denn jetzt?
Doch das sind dann eben die Chilenen, die manchmal eine andere Logik haben
und alles ein bisschen ruhiger und „más tranqui“ (ruhiger) angehen…
Wer zum Beispiell das erste Mal in Chile ist, fragt sich, was es soll, dass jeden
Morgen eine andere Straße komplett überflutet ist. Ich bin bis jetzt noch nicht zu
einer wirklichen Antwort gekommen. Mal überfluten sie die komplette Straße
wegen Bauarbeiten, mal sind es die „Grünflächen“ San Felipes, die gewässert
werden müssen – leider etwas zu viel, denn die Straße hat dann wohl auch
noch ein „bisschen“ was abbekommen. Manchmal gibt es auch gar keinen
richtigen Grund. Jedenfalls sollte man früh morgens nicht mit dem Fahrrad ohne
Schutzblech unterwegs sein, denn sonst kann es schon mal
vorkommen, dass man nicht ganz sauber und trocken an seinem Ziel kommt.
Die Müllentsorgung in Chile ist auch ein wenig anders als in Deutschland.
Erstens wirft man einfach alles in einen Müllsack, seien es Glasflaschen, Papier
oder Möhrenschalen. Es kommt einfach alles zusammen. Dann nehme man
zwei Tüten, knote sie zusammen und hänge sie über einen Ast am Baum. Dort
wird der Müll drei Mal die Woche abgeholt und weggebracht. Ich will gar
nicht wissen wohin. Ich hoffe nur, dass es nicht alles auf die Müllkippe in der
Villa Industrial geschafft wird. Denn nur zwei Straßen weiter vom „Centro
Comunitario“ sollte eigentlich ein Flussufer sein. Doch das ist leider
ziemlich dreckig und voller Müll. Kinder spielen dort und finden Dinge, die dort
eigentlich nicht hingehören. Ja – Chile quillt vor Müll leider über.
Und dadurch auch die Straßenhunde. Gerade in San Felipe gibt es wirklich
Unmengen von Hunden, die sich vom Müll ernähren und auf den Straßen
rumtollen. Sie scheinen allerdings ein ganz schönes Leben in Freiheit zu haben,
jedenfalls im Vergleich zu den eingesperrten Hunden unserer Nachbarn.
Was auch noch ziemlich entspannend war, sind die sogenannten „Micros“,
die Busse, die da halten, wo jemand winkt. Man streckt einfach den Arm raus,
wenn die gewünschte Micro vorbei fährt, und sie hält an. Genauso ist es beim
Aussteigen. Ein Wort zum Busfahrer und er hält an. Etwas beängstigend ist
es allerdings, wenn die Türen eines überfüllten Busses schon ein paar hundert
Meter vor dem Halten geöffnet werden.
Was auch wirklich sehr auffallend ist: Offensichtlich sehe ich anders aus als
die Chileninnen. Blonde Haare, helle Augen, kein Chilene hat so etwas. Damit
war ich wohl etwas unglaublich Besonderes. Mir wurde nachgeschaut, -gerufen
oder –gehupt. Irgendwann fiel mir das schon gar nicht mehr auf, doch wenn
dann mal wieder ein Auto sehr langsam an einem vorbei fuhr und vier Männer
einen anstarren und auf einmal laut anfangen zu singen, ist einem das schon ein
bisschen unangenehm.
Chile ist einfach ein Land mit vielen Facetten. Nicht nur in der Vielseitigkeit der
Landschaft, sondern in vielem Anderen.
Der Gegensatz von Stadt und Land ist bemerkenswert. Kommt man in Santiago
an, könnte man meinen, man sei in einer europäischen Stadt gelandet. Doch
kaum ist man ein paar Kilometer außerhalb, sieht man sehr kleine Blechhütten,
in denen ganze Familien hausen. Der Unterschied zwischen Arm und Reich
ist selbst in einem der reichsten Länder Südamerikas noch ziemlich groß. 3
Millionen der Einwohner Chiles leben mit weniger als einem Dollar pro Tag.
Auch merkt man sehr viele Unterschiede in den Charakteren der Menschen
von Stadt und Land. Ich wohnte in San Felipe – einer Stadt mit knapp
40.000 Einwohnern. Die Menschen sind zwar offener und gelassener als in
Deutschland, doch nicht so wie man es sich vorstellt. Sie sind in ihrem Westen unheimlich gastfreundlich, sehr viel offener als die meisten Deutschen, und haben die Ruhe in allen Lebenslagen für sich gepachtet.
Ich weiß jetzt schon, dass ich eines Tages dorthin zurückkehren werde. Und
nicht zuletzt, um den Reiz dieser Gegensätze kennenzulernen.
In nächster Zeit würde ich mich allerdings erst mal freuen, Euch
persönlich ein paar Fotos zu zeigen und Geschichten zu erzählen.
Bis dahin,
ein letztes Mal
„Besitos y abrazos“,
Eure Marielle